Kommentar

Der Clown und das Burkaverbot Ein Kommentar

In ihrem Buch „Gehört der Islam zu Österreich?“ werfen Journalistinnen und Journalisten der Tageszeitung „Die Presse“ einen differenzierten Blick auf die Rolle, die Muslime heute in Österreich spielen. Co-Herausgeber Erich Kocina, stellvertretender Leiter des „Chronik-Ressorts“, macht sich Gedanken über das als „Burkaverbot“ bekannte neue Anti-Gesichtsverhüllungs-Gesetz.

Eine brisante Frage – differenzierte Antworten

Was hat ein Clown mit einer vollverschleierten muslimischen Frau zu tun? Nun, dass beide seit 1. Oktober 2017 in der Öffentlichkeit nicht mehr auftreten dürfen, ohne dass ihr Gesicht erkennbar ist. Da trat nämlich in Österreich das Anti-Gesichtsverhüllungs-Gesetz in Kraft, das in der öffentlichen Debatte unter dem wenig treffsicheren Schlagwort „Burkaverbot“ bekannt ist. (Die vor allem in Afghanistan übliche Burka haben in Österreich bisher vor allem Journalistinnen und Journalisten getragen, um herauszufinden, wie man sich unter einer solchen Vollverschleierung fühlt – der Gesichtsschleier, den einige Musliminnen in Österreich und Touristinnen aus dem arabischen Raum tragen, ist ein sogenannter Niqab.) Es ist ein Gesetz, das sich am Vorbild Frankreich orientiert, wo es bereits seit Längerem ein solches Verbot gibt. Es ist allerdings auch ein Gesetz, das in Österreich nur sehr wenige Menschen betrifft. Wie viele Frauen mit Vollverschleierung unterwegs sind, weiß man nicht so genau, aber allzu viele sind es jedenfalls nicht. Gut, in „Salamse“ waren vor allem im Sommer doch einige Frauen mit Niqab zu sehen – Zell am See, das Paradies arabischer Urlauber in Österreich, wird wohl am ehesten die Auswirkungen des neuen Gesetzes zu spüren bekommen. Es wird spannend, wie die Polizei das Verschleierungsverbot exekutieren wird – und ob die arabischen Touristinnen die Strafen von bis zu 150 Euro in Kauf nehmen werden.

Es ist eine kulturelle Barriere, die hier aufgezogen wird. Ein Punkt, der eine Grenze festmacht: bis hierher und nicht weiter. Das Zeigen des Gesichts als europäischer Wert, der nicht unterlaufen werden darf. Auch, wenn davon letztlich nur sehr wenige Menschen betroffen sind. Damit zurück zum Clown. Dass er in Zukunft auch nicht mehr mit voller Maskierung durch die Stadt laufen darf, ist quasi ein Kollateralschaden des neuen Gesetzes. Denn um nicht mit der Religionsfreiheit in Konflikt zu geraten, konnte der Gesetzgeber nicht einfach nur ein Verbot von Burka, Niqab & Co. erlassen. Damit bekommen auch Perchtenläufer ein Problem, immerhin ist ihr Gesicht unter den traditionellen Masken auch nicht zu sehen. Aber keine Angst, der Gesetzgeber hat vorgesorgt – bei Brauchtumsveranstaltungen wird es weiter möglich sein, sich hinter Krampusmasken und Ähnlichem zu verbergen. Und auch der Clown darf im Zirkus weiter auftreten oder auf Straßenfesten Schabernack treiben – dann nämlich, wenn die Verhüllung aus beruflichen Gründen nötig ist.

Es ist also eine „Lex Islam“, die so konstruiert ist, dass sie den Islam nicht anspricht, aber wohl nur für Muslime wirklich spürbar ist. Und sie passt damit in die Tradition der typisch österreichischen Lösung – das Minarettverbot in Kärnten, zum Beispiel, argumentiert mit dem Ortsbildschutz. Denn ein reines Verbot von Minaretten würde wieder unter die Beschränkung der Religionsfreiheit fallen und könnte damit wohl schnell zu Fall gebracht werden.
 

Hinweis: Im Buchkapitel „Islam und Recht: Kein Minarett und keine Burka“ hat „Presse“-Rechtsexperte Benedikt Kommenda die wichtigsten rechtlichen Fragen rund um Österreich und den Islam herausgearbeitet.

€ 17,99
E-Book - EPUB
13,5 x 21,5 cm; 160 Seiten
ISBN 978-3-99040-462-1
Erscheinungstermin: 09/2017
Sofort lieferbar
€ 17,99
E-Book - Kindle
13,5 x 21,5 cm; 160 Seiten
ISBN 978-3-99040-463-8
Erscheinungstermin: 01/09/2017
Sofort lieferbar

Parallelgesellschaft oder „angekommen“?

In jüngster Zeit dominieren Begriffe wie „Radikalismus“, „Terrorgefahr“ und „Integrationsverweigerung“ die öffentliche Debatte, wenn es um die islamische Community in Österreich geht. Es ist eine Debatte, die von politischen Akteuren mit viel Aufregung geführt wird – und die eher auf Gefühlen als auf Fakten aufbaut.
Höchste Zeit für einen differenzierten Blick: Redakteurinnen und Redakteure der Tageszeitung „Die Presse“ beleuchten die Rolle, die Muslime heute in Österreich spielen. Von Erziehung und Bildung, der Rolle der Frau bis hin zu Politik und Wirtschaft. Das Ergebnis: oft überraschende Erkenntnisse über die bunte Vielfalt der Einflüsse und eine umfassende Analyse, wo es beim Zusammenleben noch hakt und wo es bereits ein konstruktives Miteinander gibt.

Aus dem Inhalt:
Vorwort: Das Wir und das Ihr (Rainer Nowak &, Erich Kocina)
Islam und Österreich: Die muslimische Volkszählung (Erich Kocina)
Islam und Politik: Ein schwieriger Umgang (Oliver Pink)
Islam und katholische Kirche: Mehr Neben- als Miteinander (Dietmar Neuwirth)
Islam und Wirtschaft: Österreichs Halal-Ökonomie (Jakob Zirm)
Islam und Kindergarten: Radikalisierung und Skandalisierung (Eva Winroither)
Islam und Schule: Weltanschauungen im Klassenzimmer (Bernadette Bayrhammer)
Islam und Frauen: Das Tuch, das spaltet (Anne-Catherine Simon)
Islam und die Türken: Der Einfluss der alten Heimat (Köksal Baltaci)
Islam und Extremismus: Die Kinder des Jihad (Anna Thalhammer)
Islam und Antisemitismus: Neuer Import des alten Gifts (Rainer Nowak)
Islam und Recht: Kein Minarett und keine Burka (Benedikt Kommenda)
Islam und Medien: Viel beachtet, oft falsch dargestellt (Anna-Maria Wallner)
Islam und Bundesheer: Freitagsgebet in Uniform (Iris Bonavida)
Islam und Justiz: Muslime hinter Gittern (Manfred Seeh)
Islam und Vorbildwirkung: Der Kickboxer als Role Model (Gerhard Bitzan)
Islam und Diskriminierung: Muslime als Feindbild (Erich Kocina)
Islam und Minderheiten: Die „anderen“ Muslime (Duygu Özkan)

In Kooperation mit
Die Presse

Rainer Nowak, geboren 1972, seit September 2012 Chefredakteur der Tageszeitung „Die Presse“, seit Oktober 2014 auch deren Herausgeber. Ausgezeichnet u.a. mit dem „Kurt-Vorhofer-Preis“ (2013) sowie als „Chefredakteur des Jahres“ (2014).
Erich Kocina (Mag.), geboren 1974, Studium der Publizistik, seit 2002 bei der „Presse“. Derzeit stellvertretender Leiter des Chronik Ressorts mit Fokus auf Integration und Islam. 2017 wurde er als „Lokaljournalist des Jahres für Wien“ ausgezeichnet.

Blick ins Buch

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Gehört der Islam zu Österreich?

€ 17,99
E-Book - EPUB
13,5 x 21,5 cm; 160 Seiten
ISBN 978-3-99040-462-1
Erscheinungstermin: 09/2017
Sofort lieferbar
€ 17,99
E-Book - Kindle
13,5 x 21,5 cm; 160 Seiten
ISBN 978-3-99040-463-8
Erscheinungstermin: 01/09/2017
Sofort lieferbar
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