Leseprobe

Grado - Kochen und Essen

Grado ist Italien gewürzt mit einer Prise Altösterreich. Der uns nahe Süden – nicht nur räumlich. Die Stadt spiegelt wohl wie keine andere die Wellenbewegungen des Meeres im Auf und Ab ihrer Historie wider. Und aus jeder Zeit ist etwas zurückgeblieben. Wie sich Urlauber einen Souvenirmagneten nach dem anderen auf den Kühlschrank kleben, breitet die ganze Stadt ein buntes Mosaik ihrer eigenen Geschichte aus: Antikes und Modernes, Wissenschaft und Aberglaube, Historisches und Zeitgeistiges, Ruhmreiches und Ruhmloses, Business und Dolce Vita. Dieses Inselmosaik möchte ich Ihnen mit diesem Buch ans Herz legen. Erleben Sie das große Ganze, sehen Sie die Details. Atmen Sie das weite Meer und die kleinen Gassen und hören Sie laut und leise das „Madonnina del Mare“ der Fischer, das mit einigen Pulsschlägen Grados Seele in die Herzen der Besucher trägt. Seien Sie versichert, selbst wenn Sie glauben, auf dieser Insel schon alles gesehen zu haben, wird Ihnen Grado immer neue Facetten zeigen. Lassen Sie sich überraschen, Sie werden es noch mehr lieben.

KOCHEN UND ESSEN

Wiederentdeckung des Ursprünglichen

In den Restaurants sind zwar die klassischen Gerichte des italienischen Festlandes ebenso zu finden, doch typisch für Grado sind eindeutig Fischgerichte. In der Vergangenheit haben die Gradeser, gebeutelt von Krieg, Armut und Bora, vor allem „Haltbares“ gekocht. Verarbeitet wurde stets alles vom Fisch – auch was nicht mehr so frisch war. Ein Traditionsgericht, das heute in nahezu jedem Fischrestaurant auf der Speisekarte steht, ist Boreto. Der Eintopf aus Fischen mit reichlich Knoblauch und Essig war das Hauptnahrungsmittel der Fischerfamilien in den Casoni, den Fischerhütten in der Lagune. Man verwendete dafür, was übrig blieb. Die schönste Beute wurde ja am Markt verkauft. Heute wird Boreto gerne als kulinarische Verbindung geschichtlicher und kultureller Identität gesehen. Grundsätzlich wird der Eintopf mit weißer Polenta serviert und ist mittlerweile in die höheren Gefilde der Küchen aufgerückt, was sich auch in den Preisen, die von 12 bis mehr als 24 Euro reichen, niederschlägt.

Wie ein echter Gradeser

Empfehlenswert sind Sardine in savor, was „Sardinen in Geschmack“ bedeutet, eine typische Gradeser Vorspeise. Helga Mitzner, die in der Sommerküche ihrer Privatzimmervermietung „Antica Casa Labrés“ gerne mit Gästen kocht, verrät dieses Rezept und weitere, die typisch für die Insel sind und auch ohne viel Aufwand sogar in einer kleinen Apartmentküche gelingen. Bereits in der fünften Generation betreibt die gebürtige Villacherin und passionierte Köchin die historische Privatzimmervermietung ihrer Familie in Grado. Viele Rezepte in Mitzners Schatzkästchen stammen aus der Zeit, als noch der Kaiser in Grado urlaubte. „Wenngleich ich sie auch verändere und an den modernen Geschmack anpasse“, verrät die Gastgeberin, während sie die Sardinen ausnimmt. Diese kommen im historischen Rezept ganz in die Pfanne. Mit Kopf, Eingeweiden und Rückgrat, welche Mitzner aber unter fließendem Wasser lieber entfernt.
„In Grado kann es vorkommen, dass man sie traditionell bekommt. Die Gradeser verschwenden nichts vom Fisch.“ Die kleinen Sardinen werden mit feinem Salz im Inneren gewürzt, in Mehl geschwenkt und in reichlich Olivenöl kurz gebraten. Aber nicht zu lange, ein leichtes Goldgelb verrät der Köchin: Sie sind fertig. Parallel dazu schmurgeln fein geschnittene Zwiebeln. Sie werden mit Wasser und Weißweinessig abgelöscht, Wacholderbeeren sorgen für weiteres Aroma. „Ich gebe für die Farbe einen Schuss Balsamico dazu“, verrät Mitzner, bevor sie Sardinen und Zwiebeln wie eine Lasagne in eine Auflaufform schichtet. „Das muss jetzt im Kühlschrank durchziehen. Am besten zwei oder drei Tage“, sagt Mitzner.

Capesante

Als Zwischenmahlzeit für die fleißigen „Beiköche“ gibt es gratinierte Capesante. Jakobsmuscheln, die mit einer Masse auf Semmelbröselbasis im Rohr überbacken werden. Die Jakobsmuscheln müssen dafür geöffnet werden, am besten mit einem (alten) Tafelmesser. Das führt man entlang der flachen Schale ein, dreht es, um die Muschel zu öffnen, und schneidet mit kurzen Bewegungen am flachen Schalenteil entlang. Im Inneren findet sich das weiße Muskelfleisch, die Nuss und der orange Corail, die essbar sind. Alles andere – Muschelbart, Kiemen und der dunkle Magensack – müssen entfernt werden. Nuss und Corail werden wieder in die gesäuberte Schale gesetzt, die Bröselmasse darüber verteilt und das Gesamtkunstwerk im Backrohr knusprig gebacken.

Vongole

Ein klassisches Küstenlandgericht sind Vongole. Die gemeine Venusmuschel wird mit Dredgen und Grundschleppen aus dem sandigen Meeresgrund gefischt. Obwohl es in Aquakulturen in Italien versucht wird, lässt sich die Venusmuschel nur schlecht züchten. Die meisten sind also frische Wildfänge. In Süditalien sind „Spaghetti alle vongole“ ein beliebtes Gericht am Heiligen Abend, weshalb zu Weihnachten der Preis der Muscheln um das bis zu Hundertfache steigen kann und man munkelt, dass sogar die Mafia im Advent in das Muschelgeschäft einsteigt. Helga Mitzner kocht sie, wie es die Gradeser gern haben, in Weißweinsauce. Das Geheimnis des Gerichts liegt wieder im Detail, der Knoblauch wird in Olivenöl sehr dunkel angebraten, bevor Semmelbrösel oder Mehl, Muscheln, ein Schuss guter Weißwein und Wasser folgen. „Der Knoblauch hat beim Rösten seine Schuldigkeit getan, er kann entfernt werden, manche mögen ihn aber gerne im Sud“, sagt die Köchin. Dazu gereicht wird ausschließlich weiße Polenta.

 

Auswärts essen
Im Zentrum

Gute Restaurants gibt es in Grado an jeder Ecke, vor allem aber an der Piazza Duca D’Aosta. Hier reiht sich ein Restaurant an das nächste. Ein schlechter Koch übersteht bei dieser Konkurrenz keine Saison. In der Altstadt von Grado finden sich unzählige kleine Lokale. Wer abends einen Platz bekommen möchte, sollte unbedingt reservieren! Das lässt sich gut mit dem Bummel am Vorabend verbinden. Schwieriger ist es im Winter. Die Restaurantbesitzer öffnen ihre Lokale außerhalb der Saison nur unregelmäßig.


Antica Trattoria alla Fortuna
Restaurant der gehobenen Klasse, was sich vor allem auf die Preise niederschlägt. Die Optik auf dem Teller und das durchgestylte Lokal beeindrucken. Wer bei Geschäftspartnern einen perfekten Eindruck hinterlassen will, geht ins alla Fortuna.
Via Marina 12
Tel. +39 0431 85343
www.allafortuna.it

Tavernetta all’Androna
Sehr romantischer Gastgarten, für den man auch Länge mal Breite bezahlt. Seit Jahren für gehobene Küche bekannt.
Calle Porta Piccola 6
Tel. +39 0431 80950
www.androna.it

Trattoria de Toni
Solides, kleines Fischrestaurant in der „Kulinarik-Fußgängerzone“ mit traditioneller Gradeser Küche. Familär und beliebt. Hat auch im Winter geöffnet. Es gehört außerdem zur Vereinigung „I ristoranti del castrum“, die eine gute Orientierungshilfe bietet. Mitglieder verpflichten sich, die kulinarische Tradition der Stadt von Generation zu Generation weiterzugeben.
Informationen dazu gibt es im Internet auf www.iristorantidelcastrum.it.
Piazza Duca D’Aosta 37
Tel. +39 0431 80104
www.trattoriadetoni.it

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