Leseprobe

Next Stop: Casa piccola

Das Café Casa Piccola am Beginn der Mariahilfer Straße (Nr. 1b) war einst Treffpunkt der Wiener Künstlerwelt. Sein Ruf reichte bis nach Paris und Rom, Peter Altenberg schätzte das elegante Lokal des Herrn Obertimpfler ebenso sehr wie Adolf Loos und zu den Stammgästen zählten auch Ernst und Gustav Klimt. Letzterer fühlte sich hier fast wie zu Hause – führten doch die Schwestern Flöge gleich im Stockwerk darüber den von ihm ausgestatteten ersten „Haute-Couture-Salon“ Wiens. Gregor Auenhammer begibt sich in seinem neuen Buch „Auf den Spuren von Gustav Klimt“ auf eine Spurensuche – eine Leseprobe

Weiter geht’s. Weiter, immer weiter. Next Stop: Klimts „Lehr- und Wanderjahre“. Nach den vielen Um- und Irrwegen ist es Zeit für eine Pause, meinen Sie? Einspruch stattgegeben. Als ideale Location empfiehlt sich, von Klimts temporärem Wohnort in der Mariahilfer Straße aus gesehen, gleich eines der klassischen Kaffeehäuser in der direkten Umgebung. Café Ritter und Café Kummer bieten sich an. Oder ein paar Schritte weiter, das Café Sperl in der Gumpendorfer Straße, beim Semper-Depot. Es kann gut sein, dass die Klimts hier den einen oder anderen Kaffee, den einen oder anderen Aperitif zu sich genommen haben. Nachweislich waren die Klimts oft im gleichnamigen Café der Casa Piccola – aber dieses existiert leider nicht mehr. Dennoch ist es unser nächstes Ziel. Nach der kurzen Stärkung mit dem schwarzen Gold, dem Lebenselixier der Wiener, flanieren wir also die Mariahilfer Straße stadteinwärts. Haus Nummer 1 B lautet die Adresse. Vorbei an den Geschäften internationaler Großkonzerne, an Designershops, Kaufhäusern, Supermärkten, Juwelieren, Uhrenhändlern, Parfümerien etc.
Shopping Mall unter Sternen sozusagen. Sex and the City für Europäer. Carry Bradshaw meets Emilie Flöge. Denn Letztgenannte hatte in der Casa Piccola dereinst ihren Modesalon. Und dieser war von Gustav Klimt ausgestattet. Steht man also (fast) am Ende der Mariahilfer Straße vor dem Haus mit der seltsamen Nummer 1 B, ist man am Ziel. Und ganz entgegen dem, was der Name verheißen würde – Casa piccola – steht vor uns ein riesiger Gebäudekomplex.
Eines der größten, imposantesten Häuser des ja nicht gerade von kleinen, bescheidenen Hütten gekennzeichneten Einkaufsboulevards. Des Rätsels Lösung liegt in der Historie des »kleinen Hauses«. Seinerzeit, vor der Schleifung der Stadtmauern, lag einsam und verlassen ein wirklich winzig kleines Häuschen am Rande des Glacis, am Rande des nur zum Exerzieren und Beobachten dienenden Niemandslandes zwischen Stadtmauern und der mit Respektabstand anschließenden Vorstadt.
Das ganze Rayon des Kaiserareals, also Kunsthistorisches, Naturhistorisches Museum, der Block zwischen Ring und der sogenannten Zweierlinie, zwischen Ringstraße, Auerspergstraße, Museumsplatz und Getreidemarkt, war Brachland. Lange bevor es zur Probebühne für kraftfahrzeugfeindliche Stadtpolitiker wurde, war die breite Freifläche Exerziergebiet für die Infanterie der dort situierten Stiftskaserne, Reitplatz für die Artillerie, Schutzwall und Beobachtungsplatz für sich den Stadtmauern Nähernde.
Erst mit der Schleifung der Stadtmauern – dort wo heute die Ringstraße verläuft – und Bebauung mit Palais, Häusern, KHM, NHM, Theatern, Konzerthaus, Künstlerhaus, Museen, dem Parlament, dem Rathaus, der Secession, der Akademie der Bildenden Künste etc. wurde dieser Teil der Stadt besiedelt und belebt. Deshalb trägt das Haus, in dem sich das Café Casa Piccola befand, auch die Hausnummer Mariahilfer Straße 1 B. Denn sowohl die rechts bergab gehende Rahlstiege als auch den Block davor gab es nicht. Mariahilfer Straße 1 A wurde zur neuen Grenze des ersten Bezirks. Und die auf der anderen Straßenseite anschließende Babenbergerstraße bis zum Ring existierte noch nicht. Heute unvorstellbar. Des Nummern-Rätsels Lösung hätten wir nun, werden Sie sagen, gelöst, aber nicht, warum der Riesenkasten (pardon, die Nomenklatur „Kasten“ ist nur auf die Größe bezogen, nicht auf die schmucke Gestaltung) „kleines Haus“ hieß.

€ 18,00
Franz. Broschur
11,5 x 20,5 cm; 128 Seiten
ISBN 978-3-222-13571-2
Erscheinungstermin: 02/10/2017
Sofort lieferbar

Zum 100. Todestag Gustav Klimts

Gustav Klimt, Inbegriff des Wiener Jugendstils, war Nonkonformist, Provokateur, Ausnahmekünstler. Zeit seines Lebens gefeiert, verehrt, geschmäht und verachtet, meint man ihn gut zu kennen. Der 100. Todestag Klimts ist Autor Gregor Auenhammer Anlass für eine Spurensuche. Was ist erhalten? Was hat Bestand? Was Relevanz? Gregor Auenhammer führt zu Schulen und Wohnungen des Ausnahmekünstlers, zu Ateliers und Interieurs. An den Orten von Klimts Wirken und Leben, an pikanten und geheimen Adressen sucht er nach dem Vermächtnis des großen Provokateurs. Auf der Suche nach der Seele der Virtuosität gibt es Unbekanntes, Verborgenes, Exotisches und sehr viel Exzentrisches zu entdecken. Ein funkelnder Klimt-Guide mit Esprit, ein Buch zum Nachforschen und zum träumenden Innehalten …

Gregor Auenhammer arbeitet seit 1988 bei der Tageszeitung „Der Standard“, als Autor und Rezensent widmet er sich vor allem den Themen Zeitgeschichte, Bildende Kunst und Fotografie.

Blick ins Buch

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Auf den Spuren von Gustav Klimt

€ 18,00
Franz. Broschur
11,5 x 20,5 cm; 128 Seiten
ISBN 978-3-222-13571-2
Erscheinungstermin: 02/10/2017
Sofort lieferbar
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