Triest für Fortgeschrittene

OSMICE / OSMIZE

Der Heurige auf Italienisch! 

© (c) Georges Desrues, Erich Bernard Bild vergrößern Foto: (c) Georges Desrues, Erich Bernard

Als der Habsburger-Kaiser Josef II. im Jahr 1784 seine berühmte „Zirkularverordnung“ erließ, die es den Weinbauern erlaubte, ihren Wein an bestimmten Tagen im Jahr direkt zu verkaufen sowie auszuschenken, waren Triest und der Karst bekanntlich noch Teil seines Reichs. Und so kommt es, dass eine lokale Variante des Heurigen beziehungsweise der Buschenschank in und um die inzwischen italienische Hafenstadt bis heute überlebt hat.

Ihren Namen beziehen diese osmice (Einzahl: osmica, italienisch: osmiza/osmize, manchmal auch osmizza/osmizze) vom slowenischen Wort für „acht“, da sie ursprünglich nur acht Tage im Jahr geöffnet sein durften.
Dieser Teil der Verordnung wurde inzwischen geändert, dennoch bleibt die Gesetzeslage, die Osmize betreffend (wie in Italien häufig üblich) eher undurchsichtig und variiert von Gemeinde zu Gemeinde.

Und zwar nicht nur in Zusammenhang mit den Aussteck-Zeiten, sondern vor allem, was die Verabreichung von Speisen betrifft. Diese dürfen mancherorts ausschließlich aus hauseigener Produktion stammen, bisweilen mit Ausnahmen, etwa für den Käse, können anderenorts aber auch zugekauft werden. Warme Gerichte sind jedenfalls nicht erhältlich, es sei denn, es handelt sich bei dem Betrieb in Wahrheit um einen Agriturismo, der aber verwirrenderweise so wie eine Osmiza einen Buschen aussteckt.

Wie dem auch sei: Die meisten Osmize sind wundervolle Orte, die von den Triestern geliebt werden und für Besucher unabdingbarer Teil eines jeden Triest-Aufenthalts sein sollten.

Bis vor wenigen Jahren war es noch Teil der Osmiza-Erfahrung, einfach in den Karst hinaufzufahren und an den Straßenkreuzungen den Buschen mit ihren Holzpfeilen zu folgen, die einem den Weg zu den ausgesteckten Betrieben wiesen. Doch heutzutage ist der Osmiza-Forscher freilich mit modernster 5Gund GPS-Technologie ausgestattet, was zwar Abenteuergeist raubt, zugleich aber Zeit spart. Eine App namens www.osmize.com listet nicht nur die ausgesteckten Betriebe, sondern führt einen via Google-Maps auch gleich dorthin.

Vor allem bei Schönwetter und an Wochenenden strömen die Triester in großen Mengen auf den Karst, um Wein zu trinken, harte Eier und Prosciutto oder sonstige Salumi zu essen.
In den Osmize treffen sich vormittags, ab 10 oder 11 Uhr, auch ältere Semester zum Kartenspiel, nachmittags die jüngeren zum Singen und Gitarre-Spielen. Gesprochen wird Slowenisch genauso wie Italienisch, und in manchen, schönen Momenten singen sogar alle gemeinsam.

Der Wein der Osmize ist nur selten etwas für Connaisseurs, billig ist er dafür immer. Nennenswerte Ausnahmen sind freilich die Star-Winzer wie die bereits genannten Zidarich und Škerk. Auch sie stecken mehrmals im Jahr aus — und werden in der Regel gestürmt. Glasweise verkaufen sie dann außer ihren hochpreisigen Bouteillen-Weinen auch viel preisgünstigere Fass-Ware.

Vor allem osmicabegeisterte Besucher aus Slowenien äußern immer wieder ihre Verwunderung darüber, dass diese Tradition der Buschenschank trotz seines slowenischen Namens auf ihrer Seite der Grenze nicht überlebt hat.

Dabei scheinen sie zu vergessen, dass in Jugoslawien und seinem sozialistischen Wirtschaftssystem naturgemäß kein Platz war für Direktverkauf und Ausschank von Wein ab Hof. Inzwischen wurde die Tradition allerdings wiederbelebt.

Und so hängt heute auch auf slowenischen Karststraßen der eine oder andere Buschen.

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