Eine Kolumne von Susanne Falk
Unsere liebe Kollegin Susanne Falk hat einen wunderbar-berührenden Text über den Verlagsalltag, Empathie und die Zukunft der nächsten Generation geschrieben. Nicht zu vergessen: Susannes unglaubliche Schoko-Brownie-Cookies!
Amerikaner unterscheiden gerne zwischen streetsmart und booksmart, also je nachdem, wo und wie sich ein Mensch gebildet hat, durchs echte Leben und durch das Lesen von Büchern. Es gibt da aber noch eine dritte, oft stark unterschätzte Variante: Herzensbildung, im Englischen „education oft the heart“. Die kriegt man dann, wenn man beides miteinander vereint, also Erfahrungswerte mit Bildung verbindet und noch eine gehörige Portion Empathie dazumischt. Wenn Ihnen also demnächst jemand die eigene Streetsmartness als etwas Gutes unterjubeln möchte, lehnen Sie sich entspannt zurück und fragen Sie nach, was es mit dem Rest seiner Bildung auf sich hat.
Angeblich lesen junge Menschen wieder mehr bzw. sie kaufen mehr Bücher. Das betrifft zwar vorwiegend die Genres Young Adult, Fantasy und Young Romance, aber sei’s drum: den Buchhandel freut es. Das heißt aber noch lange nicht, dass diesen jungen Menschen ihre Streetsmartness abgeht, auch wenn sie sich vielleicht lieber in ihrer Bücherwelt aufhalten. Schau ich mir meine jungen Kolleginnen im Verlagswesen an (rund 20, teilweise auch 25 Jahre jünger als ich), dann erkenne ich in ihnen vor allem unglaublich kluge, junge Frauen mit viel Empathie und einer gehörigen Portion Witz, den man nicht zwischen Buchdeckeln erwerben kann. Die sind smart in allen Bereichen. Rückblickend wünschte ich mir, ich wäre Anfang/Mitte Zwanzig auch so smart gewesen wie diese jungen Frauen. Zum Glück kam meiner Bookbubble immer das Geld in die Queere. Ich musste einfach raus in die Welt und irgendetwas arbeiten. Das erdet.
Nach zwei Wochen Autorinnendasein am Grundlsee fällt es gar nicht so leicht, wieder in den Berufsalltag einzutauchen. Das nennt sich Post-Holiday-Syndrom. Man mag einfach noch nicht in der realen Welt ankommen und versucht ein wenig Urlaubsfeeling in den Alltag hinüberzuretten, etwa indem man Reisemitbringsel (diesmal sind es absurde Gitarrenlöffel) weiterverwendet oder den Bildschirmhintergrund mit einem Urlaubsbild aufhübscht. Ich versuche dagegen, mein Autorinnenselbst in meinen Alltag hinüberzuretten. Nach zwei Wochen Schreiben bin ich grade mal so im Flow angekommen, den will ich mir nicht sofort wieder nehmen lassen. Was faktisch bedeutet: Ich mache, wie eigentlich immer, gleich zwei Jobs auf einmal, nur wesentlich enthusiastischer als zuvor.
Ist das smart? Oder ist das jetzt schlicht zu viel des Guten? Ob ich nämlich einen guten Tag hatte oder einfach überfordert bin, sehen die Kolleginnen immer daran, ob ich am Folgetag mit Backwerk ins Büro komme. Bringe ich Kekse oder Kuchen mit, war es ein schlechter Tag, weil ich vor lauter Frustration, dass nichts richtig geklappt hat, am Abend zu backen anfange, um wenigstens irgendetwas Gutes an dem Tag hinzubekommen. Das freut die Kolleginnen zwar, aber mittlerweile kennen die das Spiel schon. „Na, kein guter Schreibtag gestern?“ ist dann die passende Frage, gefolgt von einem leicht besorgten Gesichtsausdruck. Denen muss ich also nichts mehr vormachen, die sehen deutlich, wie schwer Arbeit + Arbeit + Familienleben miteinander zu vereinbaren sind. Weil sie eben nicht nur booksmart sind, was für Menschen in der Verlagsbranche das Übliche ist, sondern auch streetsmart. Die Steigerung davon ist nur noch backsmart, also zu erkennen, warum die Schoko-Brownie-Cookies heute wieder auf dem Tisch stehen und dann, völlig wortlos, den Entspannungskräutertee rüberzuschieben, mit einem sehr, sehr freundlichen Lächeln.
Wir dürfen also aufhören, uns ständig Sorgen um die kommende Generation zu machen. Die gehen schon ihren Weg: Klug, empathisch, gebildet und mit ein paar Schoko-Brownie-Cookies im Bauch. Besser können wir sie auf die Zukunft nicht vorbereiten. Der Rest findet sich schon.
Quelle: Meine Bücher! „Backsmart“ |
Mehr Texte von Susanne Falk hier: Susanne Falk | Feuilletonscout. Das Kulturmagazin für Entdecker