Die Juwelenschätze des Hauses Habsburg sind bis heute teils museal verwahrt, teils privat verborgen und teils verstreut – manches ist womöglich für immer verschwunden. Unser Autor, Historiker Roman Sandgruber ordnet ein, was über den Verbleib bekannt ist, warum vieles im Dunkeln bleibt und was die jüngsten Bekanntmachungen rund um den „Florentiner“ bedeuten.
Herr Prof. Sandgruber, Sie schreiben: „Die Juwelenschätze des Hauses Habsburg waren riesig.“ Wo muss man sich diese Schätze heute vorstellen – und wo sicher nicht?
Ein Teil liegt in öffentlichen Sammlungen, etwa in der Edelsteinsammlung des Naturhistorischen Museums, in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums sowie in den Vitrinen der Weltlichen und Geistlichen Schatzkammer. Ein anderer Teil befindet sich in Tresoren noch lebender Familienmitglieder. Und dann gibt es Bestände, die auf dem internationalen Kunstmarkt zerstreut sind oder verloren gingen.
Das klingt, als ließe sich das Gesamtbild nie mehr vollständig rekonstruieren.
Genau. Die Quellenlage ist fragmentarisch, vieles blieb bewusst intransparent – auch weil es oft eher um Verschleierung als um Offenlegung ging. Was Kaiserin Zita auf der Flucht vor den Nazis im Mai 1940 in einem kleinen Köfferchen in einem kanadischen Tresor verwahren ließ und nun aus unbekannten Gründen vom Familienoberhaupt öffentlich gemacht wurde, ist nur ein winziger Teil. Und auch nur ein kleiner Teil jener Juwelen, die 1918/19 von den Habsburgern oder in ihrem Auftrag in die Schweiz gebracht wurden.
Warum ist gerade der „Florentiner“ so aufgeladen?
Weil in Gerichtsprozessen und Zeugenaussagen behauptet wurde, er sei gestohlen oder sogar in drei Teile gespalten worden. Nun weiß man: Er existiert noch. Was aus dem Rosencollier Maria Theresias oder aus der Diamantkrone wurde, die Kaiserin Elisabeth 1867 bei der Krönung in Budapest trug, bleibt dagegen rätselhaft – ebenso, wie viele habsburgische Banksafes es noch gibt, von denen nur wenige Familienmitglieder wissen oder die in Vergessenheit geraten sind.
Diese Juwelen waren im 18. und 19. Jahrhundert nicht nur Schmuck, sondern Repräsentationsinstrumente. Wenn bei einer Krönung eine Diamantkrone getragen wird, ist das ein politisches Zeichen – kein privater Zierrat, richtig?
Ja. Aber Symbolik allein ersetzt keine Rechtsgrundlage. Für eine staatliche Rückforderung ist nicht entscheidend, ob ein Stück „ikonisch“ ist, sondern ob es institutionell zugeordnet war – etwa als inventarisiertes Objekt der Schatzkammer. Symbolkraft erhöht Erwartungen, begründet Eigentum aber nicht automatisch. Wie Kaiser Karl nach der Abdankung seine militärischen Aktivitäten sowie sein Leben in der Schweiz und auf Madeira finanzierte, ist unklar. Eine zentrale Rolle spielten dabei Juwelen, die der Oberstkämmerer Leopold Graf Berchtold am 1. November 1918 im Auftrag des Kaisers aus den Vitrinen XIII (teilweise auch XII) der Wiener Schatzkammer entnehmen und in die Schweiz bringen ließ. Es handelte sich um 38 Inventarnummern. Dazu kam Familienschmuck, der nach dem Umzug von Schönbrunn nach Schloss Eckartsau und bei der Ausreise des Kaiserpaars am 24. März 1919 in die Schweiz mitgenommen wurde; der britische Oberst Edward Lisle Strutt organisierte den Transport persönlich. Ob all dies als Privateigentum der Habsburger zu werten war, ist umstritten. Der Export war jedoch in jedem Fall illegal, wenn auch längst verjährt – Karl hatte am 12. Februar 1918 die Ausfuhr jeglicher Wertsachen unter Strafe gestellt.
Trotz mehrmaliger Ankündigungen erfolgte nie eine Rückforderung durch die Republik.
Nach dem Regierungswechsel von Renner zu Mayr I am 7. Juli 1920 und dem Tod von Gustav Harpner dem Rechtsanwalt der Sozialdemokraten und der Regierungen Renner I, II und III, im Jahr 1924, der die Verstaatlichung des Habsburger-Eigentums wesentlich betrieben hatte, sind vor allem Prozesse der Habsburger untereinander sowie gegen Juweliere und Berater bekannt – mit dem Zweck, eher zu verschleiern als offen zu legen. Umso mehr bleibt die Hoffnung, dass zumindest der „Florentiner“ und einige weitere Stücke intakt sind und öffentlich zu sehen sein werden – wenn auch wahrscheinlich nur in Kanada.
