Interview mit Co-Herausgeber Ulrich Ehrlenspiel
Nun sind in der neuen „Edition Integratives Wissen“ im Kneipp Verlag die ersten Titel erschienen. Was leisten sie, was der riesige Markt an Gesundheits- und Selbstoptimierungsbüchern nicht schon erfüllt?
Unsere Bücher schaffen ein tieferes, wissenschaftsbasiertes Verständnis dafür, wie Menschen zu echter Gesundheit finden können. Wir sind dann gesund, wenn unsere körperliche, geistige und seelische Selbstregulation funktioniert. Täglich geraten wir auf allen drei Ebenen in kleinere oder größere Dysbalancen, manche setzen sich auch über Monate oder Jahre hinweg fort. Jedes unserer Bücher findet Ansätze, aus diesen Dysbalancen wieder hinaus ins Gleichgewicht – die Homöosthase – zu finden. Es geht also nicht darum, ein stabiles Gleichgewicht zu finden (das wird es nie geben), sondern die Ressourcen aufzubauen, um auf allen Ebenen resilient zu werden.
Die Edition Integratives Wissen beruft sich auf die Kneipp-Philosophie: Körper, Geist und Seele gibt es nur im Zusammenspiel. Wie wird dieser Ansatz in eine zeit- und zielgruppengemäße Publikation übersetzt?
Tatsächlich denkt beim Stichwort Kneipp die Mehrheit an wassertretende Omas, wobei auch das gerade angesichts des Trends Eisbaden wieder hochaktuell ist. Und so geht es allgemein mit der Kneipp‘schen Philosophie: Man nennt das 4-Säulen-Modell heute das „biopsychosoziale Modell“, also die ganzheitliche Betrachtung des Menschen als Netzwerk von Biologie, Psychologie des Selbst und der sozialen Interaktion. Alle diese Aspekte vereinen sich zu mentaler und körperlicher Gesundheit. Dieser Idee folgend, gewinnen wir in der „Edition integratives Wissen“ akademisch sozialisierte Experten, die sich – ausgehend von ihrer Fachexpertise – der Faszination des integrativen Ansatzes widmen. Es geht also darum, Ganzheitlichkeit nicht als Wohlfühlmodell zu verstehen, sondern auf dem Boden wissenschaftlicher Erkenntnis das Netzwerk der Selbstheilung auszukundschaften, ganz im Kneipp‘schen Sinne.
Wie erkennst du als Herausgeber der Edition, ob ein Thema nur einem kurzfristigen Trend folgt oder tatsächlich Substanz hat, um als Buch zu bestehen? Was ist dein persönlicher „Bullshit-Filter“?
Ich mache jetzt seit über 25 Jahren Bücher im medizinischen und psychologischen Bereich und meine, den Buchmarkt, aber auch den Markt der „Heilangebote“ wie kaum ein anderer zu kennen. Da habe ich natürlich schon viele und vieles kommen und gehen gesehen. Diese Erfahrungen verdichten sich zu einem recht verlässlichen Bauchgefühl dafür, was Bestand hat und was nicht.
Die Autorinnen und Autoren der Edition Integratives Wissen bewegen sich oft im magischen Dreieck zwischen Forschung, Praxis und persönlichen Erfahrungen. Was müssen Menschen mitbringen, die mit einer Buch-Idee Erfolg haben wollen?
Genau das: feste wissenschaftliche Verankerung – evidenzbasiertes Wissen und kritisches Denken einerseits – und andererseits die Erfahrung mit Patienten oder Klienten. Man sollte sich sowohl im Elfenbeinturm zu Hause fühlen, als auch im Getümmel der Lebensrealität der Menschen. In der Vermarktung helfen dann darüber hinaus Bekanntheit und ein Drang in die Öffentlichkeit.
Wie kommst Du mit potentiellen Autorinnen oder Autoren in Kontakt? Kommt der Großteil über direkte Anfragen, Empfehlungen, Fachnetzwerke – oder suchst Du aktiv nach Expertinnen und Experten?
Natürlich habe ich mir ein Netzwerk erarbeitet über die Jahre. Dennoch suche ich nach neuen Gesichtern, recherchiere im Netz auf verschiedenen Kanälen, meine Neugierde ist unerschöpflich, deshalb werde ich nicht müde dabei.
Wenn Du nach vorne blickst: Welche Themen und Trends sind upcoming? Was wünscht Ihr euch als Herausgeber der Edition von zukünftigen Autorinnen und Autoren, was bisher noch niemand geliefert hat – aber dringend nötig wäre?
Tatsächlich lassen sich kurzfristige Trends wie das Eisbaden oder der Konsum von Matchatee heute nicht mehr wirklich in Buchverkäufe konvertieren. Das Sachbuch ist im Kern kein Informationsmedium mehr, eher ein Reflexions- und Inspirationsmedium. Die Autorinnen und Autoren mit ihrer Expertise, ihrem Background und ihrem Identifikationspotenzial spielen die zentrale Rolle. Entsprechend suchen wir nicht nach Trends und Themen – wir finden Autoren.
Ulrich Ehrlenspiel war langjähriger Programm-Macher bei Random House und sowie Verlegerischer Geschäftsführer beim größten deutschen Ratgeber-Verlag Gräfe und Unzer. Gemeinsam mit Elisabeth Stein-Hölzl gibt er im Kneipp Verlag Wien die neue „Edition Integratives Wissen“ heraus.