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Das vergoldete Kloster Zlatá Koruna

Es war einst das reichste und mächtigste Kloster Böhmens. In seinen alten, dicken Mauern hat sich die Geschichte gut erhalten.

Den klingenden Namen »Zlatá Koruna« (Goldenkron) trägt das ehemalige Zisterzienserkloster nicht von ungefähr. Im 12. und 13. Jahrhundert stieg es zu enormem Reichtum auf und vergoldete damit auch sein Image. Damals lebten 300 Mönche in Zlatá Koruna. Gegründet wurde es im Jahr 1263 vom legendären König Prˇemysl Otakar II., dessen dramatisches »Glück und Ende« Franz Grillparzer in ein Trauerspiel goss. Otakar II. befand sich zum Zeitpunkt der Klostergründung politisch gesehen auf dem Höhepunkt. Zehn Jahre zuvor hatte er die böhmische Königskrone erhalten. Durch die Hochzeit mit der Babenbergerin Margarete, die um fast 30 Jahre älter war als er, hatte er sich die Herzogtümer Österreich und Steiermark gesichert – die Babenberger waren in der männlichen Linie ausgestorben. Nachdem er die Ungarn besiegt hatte, war seine Macht einstweilen gefestigt. Er ließ sich von Margarete scheiden und heiratete eine Enkelin des ungarischen Königs. Als er die Zisterzienser aus Heiligenkreuz nach Südböhmen holte und das Kloster gründete, trug es zunächst den Namen Sancta Corona Spinea (Heilige Dornenkrone). Grund dafür war eine Reliquie. In der Stiftungsurkunde steht, dass Otakar II. vom französischen König Louis XIV. einen Dorn aus der Krone Christi geschenkt bekommen hatte. In der Klosterbibliothek befindet sich eine Kopie dieser Urkunde und daneben die nachgebildete Begräbniskrone von Otakar II.

Mit dem Kloster wollte der böhmische König einerseits eine Brücke zwischen den babenbergischen Ländern bauen, andererseits die lokale Macht der in Südböhmen aufstrebenden Witigonen ein wenig bremsen. Erst vier Jahre zuvor hatte Vok von Rožmberk das nahe Zisterzienserkloster Vyšší Brod gegründet. Das eigentliche Ziel Otakars II. war es, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches zu werden. Als es 1273 schließlich zur Wahl kam, gaben die Kurfürstendem wesentlich schwächeren Rudolf I. von Habsburg ihren Vorzug, war ihnen der Aufstieg von Otakar II. doch zu steil gewesen und seine Machtfülle zu groß. Damit war der Anfang vom Ende des böhmischen Königs besiegelt.
Fünf Jahre später musste er in der blutigen Schlacht auf dem Marchfeld sein Leben lassen. Noch am Zenit seiner Macht schenkte Otakar II. dem Kloster umfangreiche Besitzungen und schuf damit die Grundlage immensen Reichtums, den das Kloster durch die Kolonisationsstrategie der Zisterzienser noch vermehren sollte. Vor allem die vielen Dörfer, die zum Kloster gehörten, brachten laufend hohe Einnahmen. Um genau diese Besitzungen wurde aber auch erbittert gestritten mit weltlichen und geistlichen Widersachern. Nach Otakars II. Tod auf dem Schlachtfeld ließ Rudolf I. von Habsburg das Kloster überfallen.

Mitte des 14. Jahrhunderts zerstörte ein verheerender Brand das Kloster. Für den Wiederaufbau holte man Michael Parler, der einen der größten Kirchenbauten des Landes schuf. Seine Handschrift offenbart sich in den steinernen Maßwerken der Kirche und der Rosette im Querschiff. Die Parlers waren eine Familie von Baumeistern und Steinmetzen aus Schwäbisch-Gmünd, die ihre Spuren in der Kunstgeschichte Europas hinterlassen haben.

Michael Parlers Bruder Peter schuf den Prager Veitsdom. Das Wort »Polier«, mit dem heute Vorarbeiter bezeichnet werden, leitet sich vom Namen der Familie »Parler« ab. Nachdem das Kloster 1420 von den Hussiten erobert und niedergebrannt wurde, begannen schwierige Zeiten. Der Gebäudekomplex befand sich teilweise in ruinösem Zustand.
Zunächst vom König an die Rosenberger verpfändet, kam Zlatá Koruna später unter den Einfluss der Eggenberger und danach an die Schwarzenberger.
Die Klosterkirche trägt die Handschrift der berühmten Baumeisterfamilie Parler.

Im 17. Jahrhundert wurde das Kloster im barocken Stil wieder aufgebaut. Damals schuf der Bildhauer Jakob Eberle das Scheingrabmal Otakars II., das sich links vom Presbyterium in der Kirche befindet. Der geöffnete Sarg symbolisiert, dass der Tote nicht an dieser Stelle ruht. Kurz bevor Kaiser Joseph II. das Kloster 1785 im Zuge seiner Reformen auflösen ließ, gab es noch einmal eine Hochphase. Abt Bohumír Bylanský ließ das gesamte Kloster mit Wandmalereien und Stuckarbeiten verzieren. Im Kreuzgang entfalten sie eine überwältigende Wirkung. Bylanský ließ auch eine Sternwarte und eine Spinnerei bauen und gründete eine Schule für Burschen und Mädchen. Dass damals schon anschaulich unterrichtet wurde, zeigen die Bilder, die in der Klosterküche ausgestellt sind. Sie wurden von einem Laienbruder gemalt und dienten zur Illustration des Unterrichtsstoffes.

Bylanskýs Bildungsmaßnahmen folgten den Prinzipien des visionären tschechischen Pädagogen Johann Amos Comenius, der im 17. Jahrhundert gewirkt hatte. Die Schwarzenberger kauften das säkularisierte Kloster und nutzten es als Produktionsstätte. Zunächst war es eine Tuchfabrik, dann eine Gießerei bis ins Jahr 1909. Nachdem sich der bauliche Zustand in der kommunistischen Zeit verschlechtert hatte, wurde das Kloster in den 1990er Jahren zu einem nationalen Kulturdenkmal erklärt und restauriert. 

Alle Epochen, von Gotik über Barock bis Rokoko, haben tiefe Spuren in dem alten Gebäudekomplex hinterlassen. Wer durch die dicken Mauern ins Klosterinnere gelangt und von der Schutzengelkapelle, einem der ältesten Gebäude, durch den Garten in das Hauptgebäude mit seinen Rokoko-Verzierungen geht, macht eine Reise durch die Stile der früheren europäischen
Kunstgeschichte.

 

Info
Kloster Zlatá Koruna
Zlatá Koruna 1, 382 02 Zlatá Koruna

Tipp
Die Ruinen von Kuklov
In Kuklov finden sich nicht nur die letzten Überreste einer Burg, sondern auch die Ruinen eines Klosters, das im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurde. Die Bevölkerung nutzte die verlassenen Gebäude als Quelle für Baumaterial und errichtete innerhalb der alten Klostermauern neue Wohnhäuser.

 

€ 18,00
Franz. Broschur
14,5 x 20,5 cm; 192 Seiten
ISBN 978-3-222-13656-6
Erscheinungstermin: 20/02/2020
Sofort lieferbar

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Johanna Uhrmann ist Grafikdesignerin, Fotografin und Kunsthistorikerin. Sie gestaltet Bücher und Kunstkataloge.
Erwin Uhrmann ist Schriftsteller und Herausgeber einer Reihe für zeitgenössische Lyrik. Gemeinsam verfassen sie Reisebücher, erkunden nahe und entlegene Orte und gehen ihrer Liebe für Architektur nach.

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Von der Moldau zur Thaya

€ 18,00
Franz. Broschur
14,5 x 20,5 cm; 192 Seiten
ISBN 978-3-222-13656-6
Erscheinungstermin: 20/02/2020
Sofort lieferbar
9783222136566 - Von der Moldau zur Thaya
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