Ausflugstipp

Die schönste Gasse im Burgenland Leseprobe

Wandern und Wein sind ein ideales Paar. Besonders genussvoll kann man beiden Freuden im Südburgenland frönen. Die Kellerstöckl sind kleine Juwele, die Landschaft ein Augenschmaus. Urige und lauschige Plätzchen warten darauf, erkundet zu werden. Hier eines von „50 Dingen, die ein Burgenländer getan haben muss“ von Alexandra Gruber und Wolfgang Muhr – zu finden im Kellerviertel in Heiligenbrunn.

© Alexandra Gruber Bild vergrößern Foto: Alexandra Gruber

Grundsätzlich ist das historische Viertel in Heiligenbrunn ein kontemplativer Platz. Doch zweimal im Jahr verwandelt sich die Gasse in eine Genussmeile mit Wein und Gesang. Weinselige Massen schieben sich an diesem Samstagnachmittag an Standeln und Buschenschenken vorbei, Kellnerinnen in zünftigen Outfits hetzen in improvisierten Gastgärten hin und her. An jeder Ecke spielen ein paar Volksmusikanten auf oder erzählen Witze in Dauerschleife.

An jeweils zwei Tagen im Jahr huldigen die Heiligenbrunner in ihrer historischen Kellergasse der Lebensfreude und dem Genuss. Im Sommer veranstalten sie das „Uhudler Sommerfest“, im Herbst das „Uhudler Sturmfest“.

Der Uhudler stammt von amerikanischen Reben ab (mehr dazu im Buch unter „Die Heimat des Uhudlers“), ist ein reines Naturprodukt und typisch für das Südburgenland. Der Legende nach hat der Wein seinen Namen von den Frauen der Weinbauern bekommen. „Du schaust ja aus wie ein Uhu“, sollen die Damen lamentiert haben, wenn der Gemahl nach zu ausgiebigem Genuss des Tröpfchens nach Hause wankte.

Der Wahrheitsgehalt dieser Legende ist nicht belegt, gewiss ist jedoch, dass der Uhudler nicht nur getrunken, sondern auch für eine Vielzahl von Produkten als Zutat verwendet wird. Beim Sturmfest Heiligenbrunn werden unter anderem Uhudler-Cremeschnitten, Uhudler-Forellen, Uhudler-Marmelade oder Uhudler-Pflegecreme feilgeboten. Auch an anderen regionalen Spezialitäten mangelt es nicht, wir erstehen einen Aufstrich vom Mangalitza-Schwein und die letzten Grammelpogatschen, die noch zu finden sind. Danach bestellen wir roten Sturm, den wir wie Saft trinken könnten. Doch Vorsicht ist geboten, der süße und spritzige Geschmack übertüncht den Alkoholgehalt.

Die Ruhe nach der Sturm-Zeit

Tags darauf kredenzen nur ein paar lauschige Buschenschenken ihre Schmankerl, vereinzelte Lustwandler entschleunigen im plötzlich so beschaulichen Kellerviertel. Die 500 Meter lange Kellergasse in Heiligenbrunn gilt als „Der schönste Platz im Burgenland“, zumindest wird das in großen, roten Buchstaben auf einem Transparent selbstbewusst behauptet. Wer es liebt, wenn die Zeit still zu stehen scheint, wagt keinen Widerspruch. Über 250 Jahre alte Holzpflockbauten und Felder voller Weinreben schmücken sanfte Hänge, die abendliche Herbstsonne sorgt für den romantischen Feinschliff.

Die alten Kellerstöckl sind mit Stroh gedeckt und mit Kalkmilch geweißt. Sie stehen auf lehmigen Böden, verziert wurden sie mit Eichentüren und Schnitzereien. Irgendwo auf einer Wiese hat ein grün gestrichener Tagelöhnerwagen aus dem Jahr 1880 sein Ausgedinge gefunden. Er erinnert daran, dass es selbst in dieser Idylle einst viel Armut gab und die Kellerstöckl ursprünglich reine Zweckbauten waren. Der Weg der Tagelöhner von den umgrenzenden Ortschaften war weit und beschwerlich, die Arbeitstage hart und der Lohn mager. Oft übernachteten die Weinleser in den Kellern, Zeit für gemütliches Zusammensein in trauter Weinseligkeit blieb nur an den Sonntagen.

Das gesamte Kellerviertel besteht aus etwa 140 Kellerstöckln, 108 davon wurden unter Denkmalschutz gestellt. Sie stammen noch aus dem 18. Jahrhundert. Zwei Schaukeller aus dieser Zeit und eine Weinpresse aus dem Jahr 1755 sind der Höhepunkt bei Führungen. Ein Museum ist das Heiligenbrunner Kellerviertel jedoch nicht, die Weinkeller sind noch heute allesamt in Privatbesitz.

INFO: Kellerviertel Heiligenbrunn: Führungen gegen Voranmeldung. www.kellerviertel-heiligenbrunn.at

 

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