Gehen auf alten Wegen in den Süden

Die Weiße Straße Von Petronell-Carnuntum nach Frankenau

Die Bernsteinstraße, auch Weiße Straße genannt, war eine außeralpine Verkehrsader des römischen Imperiums. Auf ihr wurden Truppen an die Donau verlegt und der Handel mit den Barbaren abgewickelt. Die Straße war schon alt, als sie im 1. Jahrhundert n. Chr. ihre Hochblüte erlebte.

Bernsteinstraße/Weiße Straße - © © Martin Burger Bild vergrößern Foto: © Martin Burger

Vom Gipfel des Königsbergs aus ließ sich die Bernsteinstraße (Hainburger Straße) überwachen.

Wie nennen wir sie denn? Nord-Süd-Fernstraße? Reichsstraße Aquileia-Carnuntum? Transeuropeana? Die ca. 1.700 km lange Handelsstraße zwischen Ostsee und Adria hatte schlicht keinen Namen. Ich vermute, die Bernsteinroute war für ihre Zeitgenossen einfach »die Straße« oder die »Pannonische«. Jedem war ungefähr klar, auf welchem Weg eine Ladung Roh-Bernstein aus dem Norden herunterkam. Bernstein war das Luxusgut der Eliten. Homer besang in der Odyssee ein königliches Halsband: »Golden, besetzt mit Elektron, der strahlenden Sonne vergleichbar!«

Die Farbe des Weges

Nicht Porzellan – Bernstein war der Premiumartikel im römischen Supermarkt. Nach dem fossilen Harz gelüstete es der Bäuerin genauso wie dem Patrizier. Dennoch ist die Bernsteinstraße in der Überlieferung der weiße Weg und nicht der goldene. Daran ist auch die Geologie schuld. Die ältesten Gesteine im Untergrund des Burgenlandes sind zwar Granitgneise und Glimmerschiefer. Wird eine Straße gebaut, stößt man aber auf den hellen Leithakalk, der im Tertiär abgelagert wurde.


Wie kam es zum Namen Weißweg? Die mit hellem Gestein geschotterte Marschier- und Fahrstraße erweckte bei den Anrainern den Eindruck einer blanken, weil graslosen, weißen Linie inmitten der Braun- und Grün-Töne von Weingärten, Wiesen und Weiden. Der ursprünglich für den römischen Kaiser Constantinus II. in den Jahren 350–360 n. Chr. errichtete Triumphbogen bei Carnuntum ließ die Menschen im Mittelalter ratlos zurück. Was war das? Ein Tor? Ein Selbstbedienungs-Steinbruch? Teufelswerk? Ein Dominikaner-Mönch verfasste im 13. Jahrhundert eine frühe »Beschreibung deutscher Länder«. Er hielt das damals vielleicht noch auf vier Pfeilern ruhende Tonnengewölbe inmitten der flachen Landschaft für ein Mausoleum des Riesen Theutos. Das Heidentor steht im Zwickel zweier Verkehrswege: der Heeresstraße am Donau-Limes, die in Ost-West-Richtung verläuft, und der großen Nord-Süd-Passage, der Bernsteinroute. Traditionell wird alles Römische für heidnisch gehalten und so genannt. Ironischerweise ist das Heidentor ein Symbol des triumphierenden Christentums. Constantinus II. verbot 354 n. Chr. alle anderen Kulte. Weihesteine und Altäre der nunmehr »heidnischen« Religionen wurden im Heidentor verbaut.
Nördlich von Winden am See und in Neckenmarkt findet man im Franziszeischen Kataster aus dem Jahr 1856 den Flurnamen Weissweg bzw. Weissenweg. Die Anbauflächen liegen an der Südabdachung des Leithagebirges bzw. im südlichen Vorland des Ödenburger Gebirges und grenzen an die Bernsteinroute.

 

Wandern an der Weißen Straße
Königsberg bei Winden

8,4 km • 2 h • 185 hm im Aufstieg, 176 hm im Abstieg • leicht
Teilstrecken: B50 (Eisenstädter/Neusiedler Straße) Ecke Stiftgasse in ­Winden am See (128 m) – Gritschmühle (138 m) – ­Güterweg Trift 1 h ­Königsberg (286 m) 1 h Kreuzung Brucker Straße (203 m) – Brucker Straße – Winden am See (128 m)
Bevorzugte Jahreszeit: Frühling, Herbst
Ausgangspunkt: B50/Stiftgasse in Winden am See
Talort: Winden am See
Aussichtspunkte: Königsberg; Hackelsberg ­(östlich von Winden)
Stützpunkte: Bacchuskeller, Am Kirchberg, Winden am See,
T.: +43 (0) 664/73 49 44 15; Zum Weitzer, Kreuzgasse 17, ­ Winden am See, T.: +43 (0) 699 12295192
Charakter: Alpines Flair suchen Sie hier vergeblich, aber die dem See zugewandten felsigen Hügelkuppen und das angenehme pannonische Klima üben seit jeher eine große Anziehungskraft auf Fremde aus.
Variante: Östlich von Winden liegt der Hackelsberg (Teil des Natura 2000-Gebietes Neusiedler See-Leithagebirge), eine dem Leithagebirge vorgelagerte Hügelgruppe, die steil zum Seevorgelände abfällt. Sie können diese umrunden oder überqueren. Ziel- und Umkehrpunkt ist der benachbarte Weinort Jois.
Anreise: A4 / Abfahrt Neusiedl am See, B50 Winden am See

Wegbeschreibung

Zwischen Breitenbrunn und Winden am See zweigte ein Ast der römischen Bernsteinstraße nach Nordwesten ab. Den Durchlass, ­zwischen Königsberg und Zeilerberg gelegen, nutzten die Erbauer, um das Leithagebirge zu überqueren. Die Linie »Bruckergasse-Siedlung ›Gruibert‹-Zeilerbrunnen« ist bis heute nachgehbar. Im 1. und 2. Jahrhundert nach Christi Geburt gab es in Winden eine große ummauerte Raststätte und ein Landgut, eine Villa Rustica. »Ulmo«, eine namentlich bekannte Herberge an der römischen Reichsstraße, wird hier vermutet. Sie ist in der antiken Straßenkarte Tabula Peutingeriana zu sehen. Den Wegverlauf markieren auch die Flurnamen »Hochfelder« und »Weißweg«, die im ­Franziszeischen Kataster von 1856 eingezeichnet sind. Das schaue ich mir an!

Von der B50 schlendere ich in nördlicher Richtung durch die Stiftgasse zur Gritschmühle. Nahe dem Museum Wander Bertoni haben Archäologen in den 1950er-Jahren ein Quellheiligtum ausgegraben. Gefunden wurde eine steinerne Quellfassung und ein dem Jupiter gewidmeter Weihealtar, gestiftet von Aelius Firminus, berittener Leibgardist des Statthalters von Oberpannonien, und seiner Frau Septimia Maximilia.
An Winden haftet die Sage vom Hexenbründl. Sie gehört aber nicht zur Gritschmühle, sondern zu einer Quelle, die am seeseitigen Ufer des Hackelsbergs zutage tritt. Dort tummeln sich Hexen. Die pannonischen Zauberwesen sind schreckhaft, sie baden in der Quelle und verwandeln sich in Gänse, wenn ein Wanderer in die Hände klatscht. Nach anderer Lesart treiben die Hexen Schabernack mit den Menschen der Umgebung.
Der Berg über ihrer Quelle wird auch Hexenberg genannt. In ihm ruht angeblich ein goldener Hirsch, ein Schatz, der zu heben ist und der von Zwergen bewacht wird. Dass ein unscheinbarer Hügel im Nordburgenland mit einer Schatzlegende verbunden ist, finde ich bemerkenswert. Es mag Wunschdenken des Erzählers sein: Aber unterstreicht eine Schatzlegende nicht die einstige Bedeutung des Platzes? Zum Verständnis: Der Raum zwischen der Windener und der Joiser Heide ist seit der Bronzezeit durchgehend besiedelt.
Der Hirsch ist im Märchen nicht nur ein Wächter, auf seinem Rücken reitet man in die Anderswelt. Er ist ein Bote zwischen Göttern und Menschen.

Zurück ins Hier und Jetzt: Am Ende der Stiftgasse biege ich vor der Gruibert-Siedlung nach rechts auf einen Güterweg ein und folge diesem in östlicher Richtung; links blühen die Adonis­röschen, rechter Hand blitzt das Wasser des Neusiedler Sees in der Frühlingssonne. Bei den nächsten beiden Gelegenheiten heißt es, jeweils den Weg bergauf wählen und nicht schnurstracks weitergehen. Bei der letzten Weggabelung geht es nicht mehr geradeaus, ich bin am Rand des Waldes angekommen. Hier nehme ich wieder den ansteigenden, linken Pfad, der mich zum Hügelkamm bringt. Ehe der Weg dort in eine Waldstraße mündet, führt eine Spur rechts in die Westflanke des Königsbergs hinein.
Auf dem Königsberg stand eine Signalstation des römischen Heeres, um die Straße zu überwachen. Der Hügel erreicht zwar nur bescheidene 286 m, doch das genügte. Vom Königsberg aus sah man bis zum Kastell auf dem Wartberg bei Höflein im Norden – dort bog ein Ast der Bernsteinstraße nach Carnuntum ab. Eine Sichtbeziehung zum Hackelsberg besteht ebenfalls.
Mein Weg führt mich nun im Norden um den Königsberg herum und mündet in einer breiten Waldstraße. Die Strecke bildet die Grenze zwischen dem Heiligenkreuzer Wald und dem Truppenübungsplatz Bruckneudorf zum Windener Königsberg. Ihr folge ich ca. 2 km bis zum Zusammentreffen mit der aus Winden kommenden Brucker Straße. Auch die Bernsteinstraße erreichte diesen Punkt. Ihren weiteren Verlauf über das Bäckerkreuz nach Bruckneudorf kann man heute nur an übungsfreien Tagen verfolgen.

Der ca. 4 km lange Rückweg nach Winden passiert die Zeilerquelle und die Bärenhöhle. Das Tal weitet sich zum See hin und endet schließlich in einer weiten Ebene.

Blick ins Buch

- Gehen auf alten Wegen in den Süden
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  • Martin Burger
  • Gehen auf alten Wegen in den Süden
  • Auf den Spuren von Händlern,
    Abenteurern und Alpinisten durch die Steiermark, Kärnten und Italien
€ 28,00
Engl. Broschur
16,8 x 24 cm; 192 Seiten
ISBN 978-3-222-13692-4
Erscheinungstermin: 14/03/2022
Sofort lieferbar

Die Wiederentdeckung des Südens

Auf den Spuren von Königen und Kreuzrittern, Kavalieren auf Bildungsreisen oder Handwerkern auf der Walz, die in Italien ihr Glück finden wollten, lockt uns der neue Band von „Gehen auf alten Wegen“ in den Süden, hin zu Wärme, Meer und mediterraner Lebenskunst.
Martin Burger nimmt uns mit zur vielfältigen Gipfelkulisse der Tauernstraße, führt uns auf die Weinstraße, deren Landschaft die Atmosphäre des Südens bereits erahnen lässt, und wandert schließlich bis zur einzigartigen Zypressenkulisse von Aquileia.
Spannend lässt der Autor uns Geschichten und Geschichte auf den historischen Pfaden der alten Zeiten hautnah erleben.

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• Mit 25 Wanderrouten, historischen Highlights und Einkehrmöglichkeiten zum Verweilen

Presssestimme:

„Dieses reich bebilderte, ansprechende Buch ist Wanderführer und Schmökerbuch zugleich, das höchste Lesevergnügen beschert. Und Lust macht, selbst aufzubrechen. Sofort!“
Buchkultur

Martin Burger studierte Botanik und Publizistik in Wien, war viele Jahre Redakteur des „Kurier“ und ist seit 2015 stellvertretender Chefredakteur einer medizinischen Fachzeitschrift. Seine Sehnsucht nach Berg und Natur erwachte vor gut 40 Jahren, als er mit seiner Familie den Zentralalpenweg 02 von Hainburg nach Feldkirch wanderte.
Schon einmal begab sich Martin Burger auf die Spuren alter Wege: Der erste Band der Reihe „Gehen auf alten Wegen“, 2020 im Styria-Verlag erschienen, widmet sich seiner Heimat Niederösterreich. Nun macht sich Martin Burger auf, jenen Pfaden nachzuspüren, die seit jeher mit dem Versprechen von kulinarischen Genüssen, Sonne und Meer gen Süden locken.

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Gehen auf alten Wegen in den Süden

€ 28,00
Engl. Broschur
16,8 x 24 cm; 192 Seiten
ISBN 978-3-222-13692-4
Erscheinungstermin: 14/03/2022
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