Willkommen in Wien

„Made a lightning trip to Vienna”,

22 Minuten und 45 Sekunden Herztöne.

© (c) Anna Frohmann Bild vergrößern Foto: (c) Anna Frohmann

Darüber gelegt zwei Wörter, „John“ und „Yoko“, geflüstert, gestöhnt, geschrien und bisweilen auch ein wenig geflucht. Damit
ist hinlänglich beschrieben, was es auf Seite eins des Wedding Albums zu hören gibt, das John Lennon und Yoko Ono im Jahr 1969 herausbrachten. John & Yoko ist die Komposition betitelt, sie ist eines jener Stücke Avantgardemusik, wie es sich selten in die Pop-Angelegenheiten gemischt hat: Sie ist eine Collage, Musique concrète, Experiment eben. Sie ist Fluxus und entstammt damit einer Sphäre, für die der weibliche Part des Duos jedenfalls seit einem Jahrzehnt Aushängeschild war. Der männliche Part ist ein Beatle, Bestandteil der mutmaßlich einflussreichsten kulturellen Agentur des Jahrhunderts.

Dadurch wird die Sache, die ansonsten fest im Elfenbeinturm eingeschlossen gewesen wäre, weltweit.
Am 20. März 1969 hatten sie geheiratet. Mit gehörigem Getöse verbrachten sie ihre Flitterwochen und weil der Gossip ohnedies nicht zu vermeiden war, wollten sie die überflutende Aufmerksamkeit für eine Angelegenheit in Bahnen lenken, die ihnen sehr am Herzen lag. Das war sympathischerweise der Frieden. Und weil jedenfalls Lennon mit seiner Band gehörigen Anteil am Stand der Dinge Ende der 1960er Jahre hatte, durfte er sich einbilden, mit Aktionen wie dem öffentlich verbrachten Honeymoon ins globale Geschehen eingreifen zu können.

Einer der Schauplätze dieses Versuchs, Evidenz herzustellen, Bewusstsein zu verändern, mit einem Wort: die Welt zu verbessern, war Wien. Und weil Lennon bei aller Hippie-Versponnenheit einfach ein genialer Musiker war, hat er das 14-tägige
Tamtam in ein Lied umgesetzt, das auf schier journalistische Weise über das Geschehen berichtet: „I read the news today, oh boy“, beginnt einer seiner größten Songs, A Day in the Life. Das Recherchehafte lag stets in seiner Reichweite.

So ist The Ballad of John & Yoko also die Reportage über seine Hochzeitsreise und eine Reminiszenz an den guten alten Pop, eine vorauseilende Wiedergutmachung gegen die Koketterie mit einer unhörbar gewordenen Klassik der Moderne.
John & Yoko, mit dem Prinzip Ballade versetzt. Dem Aufenthalt in Wien ist eine Strophe gewidmet.

„Made a lightning trip to Vienna“, lautet die erste Zeile. Es war in der Tat ein Blitzbesuch, das Datum ist der 31. März 1969. Man logierte kaiserlich im Hotel Sacher, Suite 101, für, wie kolportiert wird, 12.000 Schilling. Gekommen war man aus Amsterdam, wo man im Hilton der seinerzeit sehr alltagstauglichen Praxis der 150 Demonstration eine selbstständige Variante hinzugefügt hatte. Bed-In nannten sie es, gehörige sieben Tage verbrachte man im Bett, und der Vollzug der Ehe gestaltete sich als Gerede. Es war eine Dauer-Pressekonferenz, ein früher Höhepunkt für das Zeitalter der Proliferation, das eben in diesen Jahren begann: Alles, was aus dem Körper kam, ließ man wuchern, seien es Haare, Gefühle oder eben Wörter.

Im November 1968 hatten die Beatles ihr Weißes Album herausgebracht, ihre Doppel- LP. George Martin, der Produzent, hatte vergeblich versucht, die fabulösen Vier von einer Verknappung ihres Materials zu überzeugen. Doch alles musste raus. Selbst in ihrem ureigensten Metier ließen sie es wuchern. Warum also nicht Filibusterei in den Flitterwochen?

Wien als Adresse folgte einem zusätzlichen Kalkül. Der ORF hatte einen Film der beiden produziert, seinerseits mehr Kunst als Kino, eine Etüde in Realzeit, jenen ähnlich, die Andy Warhol mit seiner Factory in New York drehte. Rape erzählt also die Geschichte einer Vergewaltigung, und die Gewalt, die sich ins Unerträgliche steigert, kommt allein von der Kamera. Eine Frau, gespielt von der Ungarin Eva Majlath, wird verfolgt, gehetzt, in die Enge getrieben von einer Meute namens Öffentlichkeit. Der Film selbst ist der Täter, und bei aller Selbstbezüglichkeit der künstlerischen Mittel geht es natürlich auch um den Status des prominenten Paares, das sie einsetzt. Am 31. März um 22:25 Uhr sollte im österreichischen Fernsehen also ein spezielles Programm laufen. John Lennon und Yoko Ono ließen es sich nicht nehmen, persönlich vor Ort darauf hinzuweisen: natürlich, darin hatten sie jetzt schon Übung, per Pressekonferenz. Sie ging am Nachmittag, 17 Uhr, im Roten Salon des Sacher über die Bühne.

Wie diese außergewöhnliche Pressekonferenz über die Bühne gegangen ist, erfahrt ihr im Buch: "Willkommen in Wien", Rainer Metzg

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Hardcover
15,5 x 22,5 cm; 192 Seiten
ISBN 978-3-222-15067-8
Erscheinungstermin: 23/02/2021
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E-Book - EPUB
0 x 0 cm; 192 Seiten
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Die Welt in der Stadt: Wien in 25 Porträts

Rainer Metzger erzählt uns Wien aus der Perspektive von Menschen, die sich in der Stadt bewegt und sie geprägt haben: Wir lauschen dem Poeten Walther von der Vogelweide am babenbergischen Hof und begegnen der Wanderkünstlerin mit Weltruf Rosalba Carriera, wir treffen den freigelassenen Sklaven und Aufklärer Angelo Soliman, streifen mit dem Dritte-Mann- Regisseur Carol Reed durch Wiens Kanalisation und verbringen mit John Lennon und Yoko Ono die Flitterwochen im Hotel Sacher.

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Rainer Metzger ist ein deutscher Kunsthistoriker und Kurator. Er publizierte zu kunsthistorischen Themen, unter anderem über Vincent van Gogh, und schrieb für den „Standard“. Neben seiner publizistischen Arbeit kuratierte Rainer Metzger zahlreiche Ausstellungen, unter anderem für die Kunsthalle Krems und das MuseumsQuartier Wien. Seit 2004 gibt er sein Wissen an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe weiter.

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Willkommen in Wien

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