Der Bunkerheurige in Leobersdorf

Zwei Mangalitza-Brote und zwei Sommerspritzer bitte.

Die Kellnerin in ihrem roten Dirndl notiert die Bestellung auf einem kleinen Block und verschwindet mit einem Lächeln und dem Satz: Gerne die Herrschaften! Wir sitzen in der wärmenden Nachmittagssonne am Rande eines Weingartens ganz in der Nähe der Bundesstraße 18 gegenüber dem Einkaufszentrum Bloomfield. Am Wochenende ist es hier, am Fuße des Lindenberges in Leobersdorf, sehr angenehm. Einfache Heurigenbänke stehen auf dem befestigten Vorplatz zu einem Ort, der ein verschlossenes Geheimnis darstellt.
Herbert Bader und Erich Vlasek haben es sich zur Aufgabe gemacht, ihre Gäste mit vorzüglichem Wein und anderen Köstlichkeiten zu verwöhnen. Mit einem originellen Namen, der einen hohen Wiedererkennungswert besitzt, bezeichnen sie ihre Labestelle als das „Bunkerstüberl“ – ja, wer von uns kennt schon einen Heurigen, der sich als „Bunkerstüberl“ bezeichnen
kann? Doch genau hier trifft diese Bezeichnung zu 100 Prozent zu!
Zwei Eisentüren sind zu sehen. Die linke ist eine massive Doppelriegel-Bunkertür aus dem Zweiten Weltkrieg. Durch sie gelangt man in einen Raum, in dem heute Wein ausgeschenkt wird. Bei schlechtem Wetter hat man hier drinnen auch die Möglichkeit, vor dem Regen geschützt seinen Wein genießen zu können. Dieser Raum hatte jedoch ursprünglich einen ganz anderen Verwendungszweck.

Es war, so wird uns erzählt, der Generatorraum.

Von hier kam der Strom für die große Bunkeranlage im Lindenberg. Die zweite Türe befindet sich gleich in der Nähe und führt ebenfalls in einen eigenen Raum. Hier werden heute die kalten Speisen zum Verzehr vorbereitet. Da, wo nun die herzhaften Schmalz- und Mangalitza-Brote zubereitet werden, befindet sich an der hintersten Stelle eine grün gestrichene Tür. Diese ist jedoch immer verschlossen. Dahinter verbirgt sich eine große Stollenanlage. Auch während der Ausschankzeit ist eine Besichtigung der Luftschutzanlage nicht möglich. Ist man jedoch im Besitz des Schlüssels, so beginnt nach dem Öffnen der Türe ein beeindruckender Gang durch die einstige Luftschutzanlage. Nur ganz langsam und behäbig ist diese Tür mit vereinten Kräften zu öffnen. Wir gelangen in ein unterirdisches Wegenetz, das alleine durch sein Umgebungsgestein beeindruckt. Das Gangprofil weist an keiner Stelle Abstützungen durch Beton auf. Der Stollen befindet sich im Konglomerat, das tief in die Unterwelt des Berges hineinreicht. Diese geologische Auffälligkeit erinnert uns wieder einmal daran, dass die ganze Region einmal Meeresgebiet war. Abgeschnitten vom großen Ozean, verwandelte sich dieses Meer in einen Süßwassersee, dessen Wasserspiegel immer mehr sank, bis er schließlich ganz austrocknete. Es entstanden riesige Moore, die sich im Laufe von Millionen von Jahren in Braunkohle verwandelten – ein Phänomen, das nicht unentdeckt blieb: In der Gegend von Leobersdorf versuchte man in den 1920er-Jahren Braunkohle abzubauen, gab aber diese Bemühungen wegen Unwirtschaftlichkeit bald wieder auf.

Und noch ein zweites Phänomen spielte eine Rolle: Der ehemalige Meeresboden wurde von gewaltigen Sedimentschichten, angeschwemmt von den Flüssen Piesting, Triesting und Schwechat, überlagert, es bildete sich der sogenannte Inzersdorfer Tegel, der begehrte „Rohstoff“ für die Ziegelindustrie im Süden Wiens.

Das feste Konglomeratgestein sorgt für die Stabilität des Stollens und zeigt an den Rändern wundervolle, teilweise enorm große Steine, die, eingebettet in verfestigtem Sediment, ein erstaunlich schönes Bild ergeben. In der gesamten Stollenanlage sind drei Aus- bzw. Eingänge vorgesehen gewesen. Heute ist der Luftschutzstollen, der sich in der Obhut der Gemeinde Leobersdorf befindet, nur mehr über einen einzigen Eingang zu betreten.

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