Rund um den Naschmarkt

Treppauf, Treppab in Mariahilf 

© (c) Christian Fürthner Bild vergrößern Foto: (c) Christian Fürthner

Zur Mariahilfer Straße geht es bergauf, der Höhenunterschied zum Wiental beträgt bis zu 30 Meter. Seit die Gegend, eine ehemalige Weinlage, besiedelt wurde, errichtete man Stiegen, mit denen die Steigung leichter überwunden werden kann. Mariahilf zählt mit dem ersten und dem neunten Bezirk zu den stiegenreichsten Bezirken Wiens. 

Vom Naschmarkt stadtauswärts geht es rechterhand in die in Summe längste Stiegenanlage Wiens, die aus mehreren Teilstücken besteht. Sie beginnt an der Stiegengasse, setzt sich über die Amonstiege fort, geht an der Windmühlgasse durch einen „Freiwilligen Durchgang“ in den Raimundhof und dort direkt in die Mariahilfer Straße hinauf. Freiwillig heißt, dass es bis auf Widerruf gestattet ist, hier durchzugehen. Der Raimundhof ist eine lang gestreckte Passage aus dem 18. Jahrhundert mit kleinen, durch Stiegen verbundenen Innenhöfen und verschiedensten Geschäften und Lokalen. 

Aber zurück zu meinem Ausgangspunkt Windmühlgasse: Von hier durchquere ich gemütlich den Raimundhof und schlage mich rechts nach dem Ausgang in das Geflecht kleiner Gassen hinein, die rund um die Mariahilfer Straße einen interessanten Mix aus Design, Mode, Musik und Gastronomie im Kleinformat bieten. Auch preislich gesehen. Über die Capistrangasse gehe ich hinunter zur Fillgradergasse, das letzte Stück über eine weitere kleine Stiege, die Capistranstiege. Dort, wo die Gasse um die Ecke biegt, erwartet mich eine der unbekannteren Schönheiten Wiens, die Fillgraderstiege, ein Prachtstück, das dem Jugendstil zugerechnet wird. Wie auch der Fillgraderhof gegenüber der Stiege. Im Jahr 2004 wurde sie von einer achtzigköpfigen internationalen Jury gar zur viertschönsten Treppenanlage Europas gekürt. 

 

 

Und das Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste Wien, ehemals Semper Depot, gleich ums Eck vom Sperl in der Lehargasse. Den sensationellen viergeschossigen Prospekthof mit den rundumlaufenden Galerien bekommt man, wie das gesamte Innenleben nur bei Veranstaltungen zu Gesicht. Aber durch die großen Fenster lässt sich wenigsten ein erster Blick darauf werfen. Ein kleines Stück danach in der Millöckergasse der frühere Eingang des Theaters an der Wien, das Papagenotor. Überhaupt ist die Maschekseite des Theaters schöner als die vordere. 

 

 

Zurück in die Gumpendorfer Straße geht es wieder vorbei beim Sperl oder über einen Schleichweg von der Lehargasse durch die Technische Universität: vom Eingang zum Maschinenbaugebäude in einem S durch das Gelände. Ziemlich genau gegenüber dem Ausgang, in der Rahlgasse: das Top Kino. Ein Zentrum für Cineastinnen und Cineasten, Kino, Küche und Bar in einem, mit Frühstücksfilmen am Sonntagmorgen und kollektivem Tatort-Schauen bei freiem Eintritt am Sonntagabend 
Die nicht einmal 100 Meter lange Rahlgasse hat erstaunlich viel zu bieten: das Gymnasium Rahlgasse, 1892 das erste Mädchengymnasium Österreichs, heute gemischtgeschlechtlich. Im Leitbild: antifaschistisch, genderbewusst. Die Gerngross-Säule von Franz West aus dem Jahr 2007, kurz vor der Rahlstiege. Der Name kommt nicht vom gleichnamigen Großkaufhaus in der Mariahilfer Straße, sondern vom Kärntner Architekten und Biennale-Teilnehmer Heidulf Gerngross. Auf der Spitze der Säule ein West’sches Witzchen: ein Ei mit dem spiegelverkehrten Schriftzug Gerngross, damit „ein Küken, das sich noch im Inneren befindet, den Namen richtig lesen kann“. Und das Aux Gazelles! Leib- und Seelenort in einer ehemaligen Ziegelfabrik am Fuße der Rahlstiege mit orientalischem Einschlag. Essen, Trinken, Bazaar, Hammam und Salon de Thé, mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen.

Nach der letzten Stiege für heute, der Rahlstiege, bin ich wieder in der Mariahilfer Straße und dort bei einem der Eingänge zum MuseumsQuartier – MQ. (Derzeit gesperrt!) Auf dem Dach des Leopold Museums wird gerade eine spektakuläre Aussichtsterrasse gebaut, die MQ Libelle, mit namensgebender Form. Innen entsteht ein neuer Kunstraum. Bei meinem Besuch ist sie noch Baustelle. Im großen Innenhof des MQ ergattere ich eines der Liegemöbel, der Enzis, und stelle mir vor, wie die Libelle hoch oben in der Sonne schillern wird. 

 

Fotos: (c) Christian Fürthner

€ 29,00
Broschur
16,8 x 24 cm; 208 Seiten
ISBN 978-3-222-13648-1
Erscheinungstermin: 10/09/2020
Sofort lieferbar

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Ilse König ist Sozialwissenschafterin, Verfasserin von Sachbüchern und Kochbuchautorin. Nach einer langen, erfolgreichen Karriere in Ministerien, Forschung, Beratung und Management, zuletzt als Geschäftsführerin eines Forschungsinstituts für internationale Politik, widmet sie sich nun nur mehr dem Schreiben.

Christian Fürthner ist seit 30 Jahren als selbständiger Fotograf tätig. Architektur, der öffentliche Raum und Stadtreportagen sind ein Schwerpunkt seiner Arbeit.

Blick ins Buch

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Wien für Fortgeschrittene

€ 29,00
Broschur
16,8 x 24 cm; 208 Seiten
ISBN 978-3-222-13648-1
Erscheinungstermin: 10/09/2020
Sofort lieferbar
9783222136481 - Wien für Fortgeschrittene
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