Interview

Das Habsburgergesetz gehört auf die juristische Müllhalde

Karl Habsburg, der Enkel des letzten Kaisers und offizielles Oberhaupt der Familie Habsburg, spricht sich im Interview für Hubert Nowaks Buch „Ein österreichisches Jahrhundert“ entschieden für die Abschaffung des Habsburgergesetzes aus – nach 100 Jahren müsse die Republik keine Angst mehr vor seiner Familie haben.

Hubert Nowak:

Herr Habsburg, kommen wir zum Thema 100 Jahre Republik und Ende der Monarchie. Ihr Großcousin Ulrich hat verlangt, Sie erinnern sich, dass man eigentlich noch eine Volksabstimmung bräuchte, damit die Einführung der Republik wirklich rechtens wäre. Haben Sie diese Meinung geteilt damals?

Karl Habsburg:

Ich habe das mit einem großen Augenzwinkern verfolgt. Natürlich, auf einer rein legistischen Grundlage kann man das, was er gesagt hat, schon argumentieren. Realistisch ist es nicht, darüber bin ich mir völlig im Klaren. Ich glaube, auch er hat ja letztlich nicht wirklich angenommen, dass es zu einer Umsetzung kommt, sondern er wollte damit gewisse Diskussionen am Laufen halten und das ist ihm auch zweifellos geglückt.

Hubert Nowak:

Er wollte vermutlich die Debatte über das Habsburgergesetz am Laufen halten, das ja in den wesentlichsten Teilen seit 1919 bis heute in Kraft ist. Sie haben schon mehrfach gesagt, dass Sie dieses Gesetz als nicht rechtens Ihrer Familie gegenüber empfinden. Sollte man es ändern oder sollte man es ganz abschaffen?

Karl Habsburg:

Im Grunde gehört es wirklich auf die juristische Müllhalde, anders kann ich das nicht beurteilen. Ich bin für diese Ansicht schon einmal sehr geprügelt worden. Man muss halt sagen, es lebt auch niemand mehr, der unmittelbar davon betroffen wäre, das heißt einen gewissen rassischen Aspekt sieht man schon in dieser Gesetzgebung, den ich jetzt als Österreicher viel mehr ablehne als als Habsburger. Persönlich, das sage ich jetzt ganz ehrlich, betrifft es mich so gut wie nicht, weil es de facto keine Auswirkung auf mich hat. Aber die Tatsache, dass es die Gesetze noch in der Form gibt, ist eigentlich denkbar überflüssig.

Hubert Nowak:

Aber auch Sie selbst durften als Jugendlicher ja noch nicht nach Österreich einreisen.

Karl Habsburg:

Nein, durfte ich nicht. Aber das hat sich im Jahr 1968 geändert. Mein Vater hat 1967 die Verzichtserklärung unterschrieben, das heißt prinzipiell schon 1961, da gab es Einsprüche dagegen, da hat dann Günther Nenning den Begriff des „Habsburgerkannibalismus“ geprägt. Eingereist ist mein Vater 1967, wir sind das erste Mal 1968 gekommen. Ich war damals sieben Jahre alt, aber ich erinnere mich noch gut daran, wie wir davor an die österreichische Grenze gefahren sind und nicht einreisen konnten.

Hubert Nowak:

Hat Sie das später dann noch gekränkt, im Nachhinein?

Karl Habsburg:

Nein, wirklich nicht, denn man betrachtet das mehr unter dem humoristischen Aspekt. Die Tatsache, dass ich die Rolle des Staatsfeindes spielen muss, während ich in Tutzing (am Starnberger See, Anm.) in Bayern in die Schule gehe, ist schon ein bisschen weit hergeholt. Das kommt einem schon lächerlich vor.

Andererseits hat mich die Tatsache fasziniert, dass es bei gewissen Leuten sehr große Emotion hervorruft und dass da noch ein gewisser Angstfaktor vorhanden ist, den man sich schwer erklären kann. Wobei ich nicht sagen möchte, dass das heute noch der Fall ist.

Hubert Nowak:

Diese Emotion liegt nur bei anderen Personen, nicht bei Ihnen? Sie könnten ja sagen, ums Haar, wenn die Geschichte anders verlaufen wäre, säße ich jetzt nicht in einem Büro in der Neulinggasse, wo dieses Interview stattfindet, sondern in der Hofburg.

Karl Habsburg:

Ich schaue das ungemein abstrakt an, weil ich die Zeit ja nicht mehr miterlebt habe.

Hubert Nowak:

Aber 2013 haben Sie in einem Interview schon gesagt, Sie schließen für die Zukunft nichts aus. Da ging es um die Frage, ob Sie politische Ambitionen hätten bzw. ob Sie einen Thronanspruch wieder stellen könnten, irgendwann. Sie haben das offengelassen, in mehreren Interviews. Schwebt das immer noch mit?

Karl Habsburg:

Ich bin da absolut pragmatisch. Für mich gibt es aus politischer Erfahrung zwei Begriffe, die in der Politik nichts verloren haben. Das ist der Begriff nie und der Begriff immerwährend.

Hubert Nowak:

Also das betrifft auch die Neutralität?

Karl Habsburg:

Die Neutralität ist ein politisches System und kein politisches System ist immerwährend.

Hubert Nowak:

Auch nicht die Republik?

Karl Habsburg:

Abstrakt gesprochen, nein.

Hubert Nowak:

Anders gefragt, welche Szenarien wären denn denkbar, wo aus Ihrer Familie entsprechender Druck käme?

Karl Habsburg:

Ich glaube nicht, dass meine Fantasie dazu ausreicht. Ich kann nur für mich persönlich sagen, wenn jemand politisch interessiert ist, dann versucht er, seine politischen Interessen umzusetzen. Das ist, glaube ich, absolut legitim, und ich rede hier von legitimen und legalen Mitteln. Ich habe das ja auch gezeigt, ich bin ins Europäische Parlament gewählt worden, ich habe dort relativ viele Sachen machen können. Ich gehe den Dingen nach, die mich politisch interessieren und versuche sie umzusetzen. Das werde ich auch in der Zukunft machen. Nur mit den Mitteln, die einem legitim und legal zur Verfügung stehen.

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